Unterhaltspflicht gegenüber Kindern
Der Anspruch auf Unterhalt für ein Kind, das das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, ist nicht an eine spezifische Altersgrenze gebunden. Die Eltern sind grundsätzlich verpflichtet, für die Berufsausbildung ihres Kindes auf Grundlage dessen Begabungen aufzukommen. Abhängig vom individuellen Werdegang und der gewählten Bildungsrichtung können auch ältere Nachkommen weiterhin Unterhaltsleistungen beziehen, jedoch wird die Erfüllung dieser Pflicht durch Zumutbarkeitsgrenzen in Bezug auf Zielstrebigkeit limitiert.
Die Verpflichtung zur finanziellen Unterstützung eines Kindes endet weder mit dem Erreichen der Mündigkeit noch mit dem Abschluss der schulischen Ausbildung. Eltern tragen die Verantwortung für die Aufwendungen, die mit einer angemessenen, der Begabung des Kindes entsprechenden Berufsausbildung verbunden sind, welche in der Regel erst nach Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossen wird. Während dieser Ausbildungsphase bleibt das volljährige Kind grundsätzlich unterhaltsbedürftig, unabhängig von seinem exakten Alter oder der Dauer der Ausbildung. Von diesen Grundsätzen existieren jedoch Ausnahmen und gewisse Grenzen des Anspruchs.
Unsicherheit bezüglich der Dauer der Unterhaltspflicht für Kinder
Das flexible Ziel der Erfüllung der Unterhaltspflicht - nämlich eine der Begabung entsprechende Berufsausbildung - kann dazu führen, dass für Eltern die vorausschauende Einschätzung der Dauer ihrer finanziellen Unterstützung kaum möglich ist.
Aufnahme eines Studiums nach abgeschlossener Lehre
Wenn sich ein Kind beispielsweise nach einer erfolgreich abgeschlossenen Lehre dazu entschließt, ein darauf aufbauendes Studium aufzunehmen, besteht der Unterhaltsanspruch fort. Die einzige Voraussetzung hierfür ist ein fachlicher Zusammenhang zwischen der erlernten Tätigkeit und dem angestrebten Studium. Dies wird beispielsweise bei einer Ausbildung zum Bauzeichner mit anschließendem Architekturstudium als gegeben erachtet (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1989, IVb ZR 51/88).
Verfolgen Lehre und Studium hingegen grundlegend verschiedene Fachgebiete, wie etwa eine Ausbildung zum Industriekaufmann mit anschließendem Medizinstudium, wird ein fortgesetzter Unterhaltsanspruch verneint, und die finanzielle Verpflichtung der Eltern endet mit dem erfolgreichen Abschluss der Lehre (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1991, XII ZR 163/90).
Unterbrechungen im Verlauf der Ausbildung
Ebenso sind Eltern verpflichtet, weiterhin Unterhalt zu leisten, wenn ihr Kind die Ausbildung aufgrund einer Schwangerschaft und der Notwendigkeit, sich um eigene Kinder zu kümmern, erst mit Verzögerung beginnt oder diese mit einer Unterbrechung fortsetzt. Diesbezüglich erkannte der BGH einer nicht mehr ganz jungen Tochter einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB zu. Nach ihrem Schulabschluss und einem freiwilligen sozialen Jahr brachte die junge Frau ein Kind zur Welt, für dessen Betreuung sie sich eine dreijährige Auszeit nahm. Erst danach begann sie ihr Studium der Sozialpädagogik. Für das letzte Studienjahr forderte sie von ihrem Vater, zu dem sie keinen weiteren Kontakt mehr pflegte, Unterhaltszahlungen. Dieser verweigerte dies und setzte sich gerichtlich bis zum Bundesgerichtshof zur Wehr, wo er letztlich unterlag (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2011, XII ZR 127/09).
Die Grenzen der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern sind zu berücksichtigen
Die Unterhaltspflicht kann jedoch entfallen, wenn den Eltern aufgrund ihres Alters und ihrer eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten eine weitere finanzielle Unterstützung wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist. Die Finanzierung der Ausbildung des Kindes muss sich demnach im Rahmen der ökonomischen Kapazitäten der Eltern bewegen. Die Berufs- und Lebensstellung der Eltern spielt hierbei keine Rolle. Sind die Einkünfte der Eltern jedoch so niedrig, dass sie infolge der Unterhaltsverpflichtung ihre eigene finanzielle Absicherung im Alter nicht gewährleisten können, sind sie nicht verpflichtet, ein Studium zu finanzieren, insbesondere wenn das Kind bereits eine Lehre abgeschlossen hat und in seinem erlernten Beruf Erwerbstätigkeit aufnehmen könnte. Ebenso müssen Eltern nicht zwangsläufig einen Auslandsaufenthalt während der Ausbildung finanzieren, wenn die damit verbundenen Mehrkosten ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten übersteigen.
Keine Unterhaltszahlungen für ziellose Studien oder Untätigkeit seitens der Eltern
Als Gegenstück zur Unterhaltspflicht der Eltern besteht die Verpflichtung des Kindes, seine Ausbildung mit angemessenem Aufwand und der erforderlichen Zielstrebigkeit zu verfolgen. Die Ausbildung ist innerhalb des üblichen und angemessenen Zeitrahmens abzuschließen, damit das Kind anschließend selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann.
Zielstrebiges und planvolles Absolvieren der Ausbildung
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt also, falls das Kind seine Pflichten zur planvollen und zielgerichteten Durchführung der Ausbildung nachhaltig vernachlässigt. Das hierfür geltende Prinzip der wechselseitigen Rücksichtnahme soll sicherstellen, dass ein Kind den Unterhalt nicht missbräuchlich einfordert. Wenn ein Kind beispielsweise lediglich an einer Universität immatrikuliert ist, die Universität aber kaum von innen kennt, so hat es aufgrund dieser Pflichtverletzung keinen Anspruch mehr auf fortlaufende finanzielle Unterstützung durch die Eltern. Vielmehr ist das Kind dazu angehalten, universitäre Veranstaltungen zu besuchen und die notwendigen Prüfungen abzulegen.
Ein kurzzeitiges und geringfügiges Scheitern ist jedoch unschädlich. Der Unterhaltsanspruch erlischt somit nicht sofort, wenn ein Kind eine Prüfung wiederholen muss. Übersteigt das Kind jedoch die Regelstudienzeit erheblich, sind die Eltern nicht mehr zu Unterhaltszahlungen verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1987, IVb ZR 23/86). Dies gilt ebenso, wenn das Kind zweimal die Zwischenprüfung nicht besteht und infolgedessen exmatrikuliert wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.03.1994, 2 UF 195/93).
Eltern genießen Informations- und Kontrollrechte hinsichtlich der Ausbildung des Kindes
Zur Überprüfung der Erfüllung der Obliegenheiten durch das Kind besitzen die Eltern Anspruch auf Auskunft und Kontrolle. Dies bedeutet, dass das Kind verpflichtet ist, die Eltern über den wesentlichen Fortschritt der Ausbildung zu unterrichten und ihnen auf Verlangen entsprechende Studienbescheinigungen, Zeugnisse sowie Prüfungsergebnisse vorzulegen.
Gewährung einer angemessenen Orientierungsphase
Allerdings wird einem Kind die Möglichkeit eingeräumt, sich zumindest einmal neu zu orientieren. Sollte ein Kind beispielsweise seine erstmalige Ausbildung abbrechen (OLG Celle, Urteil vom 10.10.2013, 610 F 5057/12) oder im Verlauf seines Studiums nach zwei Semestern feststellen, dass der gewählte Studienweg seinen Begabungen oder Interessen nicht entspricht, so ist dies unterhaltsrechtlich im Normalfall nicht zu beanstanden, wenn das Kind den Studienzweig wechselt oder eine alternative Ausbildung aufnimmt.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der ursprüngliche Studiengang nicht den Vorstellungen und Wünschen des Kindes entsprach, sondern auf Bestreben der Eltern begonnen wurde. Grundsätzlich obliegt es einem mündigen Kind, sein berufliches Ziel und seine Ausbildung eigenständig zu bestimmen. Erfolgt der Wechsel des Studiengangs oder der Studienabbruch jedoch erst in der zweiten Studienhälfte ohne Zustimmung der Eltern, so haben die Eltern ihre Ausbildungspflicht erfüllt, was zum Erlöschen des Unterhaltsanspruchs führt.
Eine selbstfinanzierte Orientierungsphase schwächt den Ausbildungsanspruch nicht
Eine längere Phase der Selbstfindung, in der die Eltern finanziell nicht durch das Kind belastet wurden, führt nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs. Die angemessene Dauer der dem Kind zu gewährenden Orientierungsphase variiert je nach Alter, Entwicklungsstand und den Lebensumständen des Kindes. Sofern die Orientierungsphase nicht übermäßig ausgedehnt wird, ist eine Verweigerung des Unterhaltsanspruchs nicht gerechtfertigt (OLG Hamm, Beschluss vom 05.02.2013, 7 UF 166/12).
Situationen, in denen Eltern keine weitere Ausbildung erwarten mussten
Eine Unterhaltspflicht kann allerdings auch aus Gründen des Zeitablaufs als unzumutbar betrachtet werden, beispielsweise wenn das Kind bei Beginn des Studiums bereits 26 Jahre alt ist und der Unterhaltspflichtige nicht mehr mit weiteren Ausbildungskosten rechnen muss (BGH, Beschluss vom 03.05.2017, XII ZB 415/16).
Dies gilt ebenso, wenn ein Kind nach Erhalt des Realschulabschlusses eine Lehre absolviert und anschließend, zur Überraschung der Eltern, das Fachabitur nachholt, um ein Studium aufzunehmen. In Fällen einer Ausbildung mit anschließender Fachhochschulreife und Studium wird die Unterhaltspflicht maßgeblich davon beeinflusst, inwieweit die Eltern damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach dem mittleren Schulabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung noch eine weitere berufsqualifizierende Ausbildung anstrebt. Nur wenn das Kind von vornherein die Absicht geäußert hat, nach der Lehre die Fachoberschule zu besuchen, um anschließend zu studieren, oder wenn die Eltern aufgrund anderer Umstände mit einem solchen beruflichen Werdegang rechnen mussten, ist es den Eltern wirtschaftlich zuzumuten, die weiteren Ausbildungsschritte durch Unterhaltszahlungen zu unterstützen.
Ausnahmen wurden vom BGH jedoch unter besonderen Bedingungen anerkannt, beispielsweise wenn das Kind von den Eltern in einen Beruf gedrängt wurde, der seinen Begabungen nicht ausreichend Rechnung trug, oder die Erstausbildung auf einer erheblichen Fehleinschätzung der Begabung basierte. Darüber hinaus kann eine erweiterte Unterhaltspflicht in Betracht gezogen werden, wenn die weiterführende Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße Fortbildung im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem bisherigen Bildungsweg anzusehen ist und während der ersten Ausbildung eine besondere Begabung zutage trat, die eine Weiterbildung erforderte (BGH, Urteil vom 30.11.1994, AZ: XII ZR 215/93 m. w. N.; BGH, Urteil vom 17.05.2006, AZ: XII ZR 54/04).
Jeder Einzelfall ist entscheidend
Für die betroffenen Eltern lässt sich keine universell gültige Regelung aufzeigen, wann die Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Kind endet. Vielmehr ist stets der spezifische Fall ausschlaggebend. Für ein Kind, das nach Schulabschluss eine Lehre beginnt und dafür eine Ausbildungsvergütung erhält, die seinen Unterhaltsbedarf deckt, kann die Unterhaltspflicht der Eltern bereits mit Erreichen der Volljährigkeit entfallen. Muss ein Kind jedoch zunächst eine Schulklasse wiederholen, erwirbt anschließend das Abitur, entscheidet sich für eine Banklehre und beginnt dann ein Jura- oder BWL-Studium, das möglicherweise durch eine eigene Schwangerschaft mit anschließender Kinderbetreuung unterbrochen wird, kann das Kind durchaus ein Alter von 30 Jahren oder mehr erreichen, ohne dass die Unterhaltspflicht der Eltern erloschen wäre.
Hintergrund: Die Beweislast bei Verzögerungen in der Ausbildung
Die Eltern sind dem volljährigen Kind grundsätzlich nur für die übliche Dauer der Ausbildung zum Unterhalt verpflichtet. Verzögert sich die Ausbildung darüber hinaus, beispielsweise durch Krankheit des Kindes, psychische Störungen, geringfügiges Versagen des Kindes aufgrund nicht bestandener Prüfungen, durch ein Auslandsstudium, einen Wechsel des Studienortes oder aus anderen Gründen wie der Notwendigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Nebentätigkeit auszuüben, muss das unterhaltsberechtigte Kind die Gründe für die Verzögerung des Studiums detailliert darlegen und gegebenenfalls beweisen.
Schlagworte zum Thema: Unterhaltsverpflichtung, Alimente für Nachkommen