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sportstudio live: Leichtathletik-WM
Die Athleten und Athletinnen der deutschen Meisterschaften in Kassel, die Erst- und Zweitplatzierten, werden vom Deutschen Leichtathletik-Verband zur Weltmeisterschaft nach Budapest delegiert. Zeigt dies eine wiederkehrende internationale Konkurrenzfähigkeit und weckt Hoffnungen auf Medaillen?
In der Vergangenheit begeisterte die Leichtathletik-Europameisterschaft im eigenen Land mit einer Welle der Begeisterung - nur wenige Wochen nach der WM in Eugene, wo das deutsche Team nur zwei Medaillen gewinnen konnte. Aus diesem Grund sollten die Erwartungen für Budapest nicht zu hoch gehängt werden. Die 100-Meter-Europameisterin Gina Lückenkemper ist vielleicht die Schnellste im europäischen Vergleich, aber bei der Weltmeisterschaft wird sie Schwierigkeiten haben, das Finale aufgrund der internationalen Konkurrenz zu erreichen. Die Zehnkämpfer Niklas Kaul und Leo Neugebauer hingegen sind Medaillenkandidaten - auf einen spannenden Wettkampf können wir uns freuen. Bei den technischen Wettbewerben ist aktuell nur Speerwerfer Julian Weber als Medaillenkandidat zu nennen, möglicherweise auch Diskuswerferin Kristin Prudenz. Doch ein großer Unterschied besteht zwischen diesen Sportlern und den anderen Teilnehmern.
Das ZDF überträgt an fünf Tagen im Tagesverlauf und in der Primetime die Leichtathletik-WM: Wird das ohne deutsche Medaillengewinner ein Zuschauererfolg?
Derzeit fehlen internationale Superstars in der Leichtathletik. Einen Usain Bolt mit seinen schnellen Läufen, seiner Ausstrahlung und seiner Popularität gibt es momentan nicht. Dennoch findet die Leichtathletik ein großes Fernsehpublikum, weil dieser Sport attraktiv und emotional ist. Natürlich würden deutsche Erfolge die Aufmerksamkeit steigern. Aber auch ohne unmittelbare Medaillengewinne unserer Athleten und Athletinnen werden unsere Übertragungen angenommen.
Für die WM in Budapest wurde eigens ein neues Leichtathletik-Stadion erbaut. Wird sich dadurch Ihre Arbeitssituation vor Ort verbessern?
Mir ist bislang nur das alte Stadion in Budapest bekannt, in dem 1998 die Europameisterschaft stattfand. Damals war es bereits recht rustikal, daher wird das neue Stadion einen Unterschied machen. Wir werden dort erneut Reporterplätze mit Blick auf den 100-Meter-Zielstrich haben. Allerdings stehen nur begrenzte Räume im Stadion zur Verfügung, weshalb wir unsere Sendungsvorbereitung im Hotel durchführen werden.
Die WM in Budapest wird die letzte sein, die Sie als Live-Reporter begleiten. Was bei der dritten Leichtathletik-WM 1991 in Tokio für Sie begann, endet bei der 19. Weltmeisterschaft, bzw. eine Woche später beim ISTAF in Berlin. Welche prägenden Momente aus diesen über 30 Jahren sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Mir fällt zuerst ein Moment ein, der noch vor meiner Zeit als Live-Reporter begann. Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 1986 in Stuttgart war ich als Redakteur eingesetzt. Damals wurde Linford Christie zum ersten Mal Europameister über 100 Meter. Nach seinem Sieg traf ich ihn ganz allein im Stadion. Dort konnte ich ihn ungestört interviewen - heute wäre das undenkbar. Eindrücklich ist auch, wie die DDR-Leichtathletinnen Katrin Krabbe und Grit Bräuer bei der Europameisterschaft 1990 in Split (damals noch Jugoslawien) erstmals zur gesamtdeutschen Mannschaft gehörten und etwas verblüfft reagierten, als wir vom Westfernsehen einfach in ihrem Quartier auf sie zukamen. Ihre Doping-Affäre beschäftigte uns in den folgenden Jahren. Ebenso prägnant sind Diskurswerfer Lars Riedel und seine fünf Weltmeistertitel zwischen 1991 und 2001.
Haben Sie sich als Live-Reporter an den Leistungen der Sportler erfreut oder blieben Sie immer in der erforderlichen journalistischen Distanz?
Als Journalist bin ich der Unparteilichkeit verpflichtet, aber es gab natürlich auch außergewöhnliche Leistungen, bei denen mich als Reporter mal die Stimme versagte. So zum Beispiel 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta, als Jefferson Pérez, ein ecuadorianischer Geher, über 20 Kilometer die erste olympische Goldmedaille in der Geschichte seines Landes gewann. Auch bei den vergangenen Olympischen Winterspielen, als das deutsche Langlauf-Duo Katharina Henning und Victoria Carl überraschend Gold gewann, versagte mir kurz die Stimme - der Jubel der Sportler war dann besser zu hören.
Sie haben in über 30 Jahren Leichtathletik immer im Duo kommentiert, zuerst mit Bernd Heller, viele Jahre mit Wolf-Dieter Poschmann, derzeit mit Marc Windgassen. Funktioniert das nur in Teamarbeit?
Bei den wechselnden Disziplinen einer Leichtathletik-Übertragung ist die Kommentierung im Duo die beste Lösung. Auch für die Vorbereitung ist es hilfreich, die kurzen Laufstrecken bis maximal 1500 Meter vorab aufzuteilen, damit beide Live-Reporter nicht alle biografischen Daten und Hintergrundinformationen zu den Athleten und Athletinnen im Detail wissen müssen. Die technischen Wettbewerbe hingegen teilen wir nicht vorab auf, weil nicht vorhersehbar ist, welcher Wurf oder Sprung im Live-Stream ansteht.
Und was hat sich am Reporterplatz in den zurückliegenden Jahren verändert?
Die Kommentierung ist heute schneller geworden. Es bleibt heute weniger Zeit für ausführliche Hintergrundgeschichten. Die Informationsbeschaffung hat sich natürlich geändert. Früher haben wir die Startlisten und Platzierungen selbst zusammengestellt. Diese Aufgaben wurden zunehmend automatisiert und heute stehen uns die Datenmonitore direkt zur Verfügung.
Mit Peter Leissl sprach Thomas Hagedorn.