Lennox-Gastaut-Syndrom EEG
Wissenswertes über seltene Erkrankungen und Orphan Drugs
Die Häufigkeit des Lennox-Gastaut-Syndroms (LGS) wird auf 0,1 bis 0,28 pro 100.000 Personen jährlich geschätzt, wobei die Lebenszeitprävalenz im Alter von zehn Jahren 0,26 pro 1.000 Kindern beträgt. Obwohl es sich um eine seltene Krankheit handelt, macht sie 1-10 % der Epilepsien im Kindesalter und 1-2 % aller Epilepsiepatienten aus. Das männliche Geschlecht ist tendenziell etwas häufiger betroffen.
Zu den charakteristischen Anfallsarten gehören atypische Absencen und tonische Anfälle im Schlaf, doch auch atonische Anfälle im Wachzustand, myoklonische, tonisch-klonische sowie fokale Anfälle, ebenso wie ein nicht-konvulsiver Status epilepticus, treten oft auf. Tonische, myoklonische oder atonische Anfälle können zu plötzlichen Stürzen (sogenannten Fallanfällen) führen. Das interiktale EEG zeigt typischerweise langsame Spike-Wave-Komplexe (< 3/s), paroxysmale schnelle Rhythmen (10-20/s) während des Nicht-REM-Schlafs (Rapid Eye Movement) und eine Verlangsamung der Hintergrundaktivität. Die Erkrankung beginnt meist im Zeitraum zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr, und die gesamte Trias entwickelt sich im Laufe der Zeit. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen liegt zu Beginn der Erkrankung eine intellektuelle Beeinträchtigung vor, die sich im Verlauf der Zeit verschlimmert. Verhaltensstörungen werden oft beobachtet und können die Therapie erschweren.
Die Ursache ist heterogen und beinhaltet pränatale oder perinatale Infarkte, Infektionen des zentralen Nervensystems, Stoffwechselerkrankungen, traumatische Läsionen und Fehlbildungen der Kortikalis. Zunehmend werden genetische de-novo-Mutationen identifiziert, so zum Beispiel in GABRB3 (15q12), CHD2 (15q26. 1), DNM1 (9q34.11), SCN1A (2q24.3), MAPK10 (4q21.3), CUX2 (12q24.11-q24.12) und CACNA1A (19p13.13). LGS kann sich aus frühen epileptischen Enzephalopathien wie dem West-Syndrom entwickeln. In etwa einem Viertel der Fälle bleibt die Ursache unklar.
Das Vorliegen typischer klinischer Merkmale und EEG-Anomalien bestätigt die Diagnose. In der Magnetresonanztomographie werden bei mehr als zwei Dritteln der Patienten strukturelle Anomalien festgestellt. Genetische Tests helfen bei der Unterscheidung zwischen LGS und anderen Krankheitsbildern und sollten in ausgewählten Fällen durchgeführt werden (z. B. bei Verdacht auf tuberöse Sklerose-Komplex, spätinfantile neuronale Ceroid-Lipofuszinose, Ringchromosom-20-Syndrom).
Im Grunde kommen alle Epilepsien mit häufigen und kurzen motorischen Anfällen im Kindesalter infrage; zu den wichtigsten Differentialdiagnosen zählen die myoklonische atonische Epilepsie, das Dravet-Syndrom und fokale Epilepsien mit sekundärer bilateraler Synchronie.
Besteht der Verdacht auf eine monogenetische Ätiologie, wird eine genetische Beratung empfohlen.
Anfälle bei LGS sind schwer zu behandeln, und die Behandlung sollte darauf abzielen, die Lebensqualität zu verbessern und die Belastung durch Anfälle mit Stürzen zu minimieren. Natriumvalproat wird als Medikament der ersten Wahl gegen Krampfanfälle empfohlen. Randomisierte kontrollierte Studien mit Lamotrigin, Felbamat und Clobazam haben die Wirksamkeit bei sämtlichen Anfallsarten gezeigt. Die Verwendung von Felbamat ist durch unerwünschte Nebenwirkungen limitiert. Topiramat, Rufinamid und Cannabidiol erwiesen sich als wirksam bei der Reduzierung der Anfälle. Weitere Medikamente gegen Krampfanfälle wie Levetiracetam, Zonisamid und Perampanel sowie eine ketogene Diät, eine Stimulation des Vagusnervs, eine Korpus-Callosotomie und eine resektive Hirnoperation sollten in Erwägung gezogen werden. In einigen Fällen wurde von einer Verschlimmerung der Anfälle unter Carbamazepin, Lacosamid, Oxcarbazepin, Phenytoin und Vigabatrin berichtet.
Die Prognose von Kindern mit LGS ist ungünstig. 80-90 % der Patienten erleiden rezidivierende Anfälle, und die Mortalitätsrate ist 14-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung, hauptsächlich aufgrund epilepsiebedingter Ereignisse (z. B. Status epilepticus, plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie). Kognitive und Verhaltensprobleme sind bei nahezu allen Betroffenen präsent. Der Schweregrad der Erkrankung hat erhebliche Auswirkungen auf die Familienmitglieder.
Aktualisiert am: April 2021 - Gutachter : Pr Alexis ARZIMANOGLOU | EpiCARE - Pr Rima NABBOUT | EpiCARE - Pr Rainer SURGES | EpiCAREEuropäische Referenznetzwerke
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