Tiefgreifender Nasenabstrich: Die Rolle des Rachens
Antigen-Schnelltests: Gewährleisten Selbstentnahmen eine hinreichende Zuverlässigkeit?
Obwohl Antigen-Schnelltests im Vergleich zu PCR-Untersuchungen eine geringere Präzision aufweisen, vermögen sie durch ihre zügige Verfügbarkeit und unkomplizierte Handhabung einen substanziellen, komplementären Nutzen zur Begrenzung der Pandemie zu stiften und das alltägliche Leben in spezifischen Umfeldern weniger gefährlich zu gestalten. Diese Schnelltests sind in der Lage, binnen einer halben Stunde direkt am Anwendungsort Auskunft darüber zu geben, ob eine Person im Moment der Untersuchung mit SARS-CoV-2 infiziert ist und somit eine potenzielle Ansteckungsquelle für andere Menschen darstellen könnte. Auf diese Weise hätten die Tests das Potenzial, beispielsweise das Aufsuchen eines Familienangehörigen in einer Seniorenpflegeeinrichtung oder einem Klinikkomplex wesentlich sicherer zu gestalten. Nichtsdestotrotz finden sie bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine umfassende Implementierung. Ein ausschlaggebender Grund dafür ist, dass ihre Applikation in der Mehrzahl der Fälle bis dato nur dann durchführbar war, wenn die Probenentnahme aus dem Nasopharynx-Raum durch entsprechend qualifiziertes medizinisches Fachpersonal vorgenommen wurde.
„Eine solche fachmännisch vorgenommene Nasen-Rachen-Abnahme stellt aus zwei primären Gründen ein gewichtiges Hemmnis für die flächendeckende Nutzung von Antigen-Schnelltests dar“, so die Erklärung von Prof. Dr. Frank Mockenhaupt, dem interimistischen Leiter des Instituts für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit der Charité. „Zum einen wird eine tiefe nasale Probenentnahme von vielen Betroffenen als nicht nur unangenehm, sondern mitunter auch schmerzhaft empfunden, was dazu führen könnte, dass sie wiederholte Testungen lieber vermeiden. Zum anderen beansprucht die Abstrichentnahme wertvolle personelle Ressourcen im Gesundheitswesen, ist logistisch aufwendig und erfordert zudem eine entsprechende Schutzausrüstung für das Personal.“ In Kooperation mit Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, der Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg, initiierte Professor Mockenhaupt folglich eine Untersuchung, um die Möglichkeit eines selbst durchgeführten Abstriches aus dem vorderen Nasenbereich (unter fachkundiger Anleitung) als realisierbare Alternative zu einem professionell vorgenommenen tiefen Nasenabstrich zu evaluieren.
Die besagte Studie wurde im Zeitraum von Ende September bis Mitte Oktober in der Coronavirus-Diagnosestelle der Charité durchgeführt. Probanden, die an SARS-CoV-2-typischen Symptomen litten und sich zur Studienteilnahme bereiterklärten, erhielten vom zuständigen medizinischen Fachpersonal vorerst detaillierte Anweisungen für die eigenständige Probenentnahme. Im Anschluss war es die Aufgabe der Studienteilnehmenden, einen Tupfer über eine Dauer von fünfzehn Sekunden hinweg in einer Tiefe von circa 2 bis 3 Zentimetern mit rotierenden Bewegungen entlang der Innenwände ihrer Nasenhöhle zu führen. Unmittelbar danach führte das Personal bei den betreffenden Patienten eine weitere Probenentnahme in Form eines tiefgehenden Nasen-Rachen-Abstriches (also nasopharyngeal) durch. Sämtliche Probenmaterialien wurden unmittelbar vor Ort auf einen in Deutschland regulär zugelassenen Antigen-Schnelltest aufgebracht, und die daraus resultierenden Ergebnisse wurden anschließend miteinander abgeglichen. Ergänzend hierzu entnahm das zuständige Personal eine kombinierte Abstrichprobe aus dem Mund- und dem tiefen Nasen-Rachen-Bereich, um eine gesicherte Referenzdiagnose einer SARS-CoV-2-Infektion mittels der PCR-Methode erstellen zu können.
Von den insgesamt 289 Probanden zeigten sich 39 (was einem Anteil von 13,5 Prozent entspricht) nach der durchgeführten PCR-Testung als mit SARS-CoV-2 infiziert. Bei 31 dieser infizierten Personen (d.h. knapp vier Fünfteln der Fälle) führte auch der Antigen-Schnelltest zu einem positiven Ergebnis, vorausgesetzt, die Probe wurde fachmännisch tief aus dem Nasenraum entnommen. Im Gegensatz dazu erbrachte die eigenständige Abnahme aus dem vorderen Nasenbereich bei 29 der Infizierten (sprich etwa 74 Prozent) das korrekte Testresultat. „Es war für uns keineswegs überraschend, dass Antigen-Schnelltests eine geringere Sensitivität als die PCR-Methode aufweisen“, bemerkt hierzu Privatdozentin Dr. Denkinger. „Bei einer detaillierteren Analyse zeigte sich, dass die Antigentests insbesondere in den Fällen eine Infektion nicht detektierten, in denen die betreffenden Patienten lediglich eine sehr niedrige Viruslast aufwiesen.“ Konzentrierte sich das Forschungsteam indessen ausschließlich auf die Patienten mit einer signifikant hohen Viruslast, so lieferten die Antigentests bei professionell vorgenommenen tiefen Nasenabstrichen jedes Mal ein positives Resultat; bei den selbst durchgeführten Abstrichen traf dies noch auf knapp 96 Prozent der Fälle zu.
„Unsere Untersuchung demonstriert eindeutig, dass die unter Aufsicht durchgeführten Selbstabstriche für den getesteten Antigentest in ihrer Performance keineswegs schlechter abschneiden als die professionell aus dem Nasen-Rachen-Raum entnommenen Proben“, legt Privatdozentin Dr. Denkinger dar. „Die Verwendung festerer Tupfer, die sich für die Entnahme im Nasenvorhof als optimaler erweisen, könnte die Zuverlässigkeit des Testverfahrens möglicherweise noch weiter verbessern.“ Im November des vergangenen Jahres schuf die Bundesregierung die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen ausgeweiteten Gebrauch von Antigen-Schnelltests – somit ist ihre prinzipielle Anwendung nun auch durch qualifiziertes Personal in Kindertagesstätten und Schulen erlaubt. „Dank der neugestalteten rechtlichen Gegebenheiten entfällt die bisherige Abhängigkeit von rein medizinischem Fachpersonal bei der Testdurchführung“, kommentiert Privatdozentin Dr. Denkinger. „Dies befördert die Skalierbarkeit von Antigen-Schnelltests erheblich. Wissenschaftliche Erkenntnisse über Selbstabstriche, wie sie diese Untersuchung liefert, könnten den zuständigen Entscheidungsträgern bei der Einführung zukunftsweisender Konzepte von Nutzen sein.“
Professor Mockenhaupt fügt hinzu: „Die bereitgestellten Schnelltests repräsentieren eine bedeutsame Ergänzung angesichts der derzeit stark beanspruchten PCR-Testkapazitäten. Nichtsdestotrotz müssen Selbstabstriche und eigenständige Testungen kritisch hinterfragt werden: Eine inkorrekte Anwendung oder ein fehlerhaftes Ablesen des Resultats kann eine trügerische Sicherheit vermitteln. Des Weiteren ist es unerlässlich, dass ein positives Schnelltestresultat stets mittels einer PCR-Untersuchung verifiziert wird.“ In einem unmittelbar anschließenden Schritt wird das Forscherteam daher evaluieren, ob Antigen-Schnelltests auch dann noch verlässliche Befunde erbringen, wenn ihre Anwendung durch Laien völlig ohne jegliche fachkundige Hilfestellung erfolgt.
Auf Basis des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite hat der Gesetzgeber im November festgeschrieben, dass der Arztvorbehalt für Schnelltests aufgehoben wird und deren Anwendung prinzipiell auch durch entsprechend geschultes Personal vorgenommen werden darf. Die aktualisierte Verordnung zur Modifizierung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung legt ergänzend fest, dass Schnelltests auch an gemeinschaftliche Einrichtungen wie etwa Schulen und Kindertagesstätten geliefert werden dürfen. Konsultieren Sie hierzu die Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung des Bundesgesundheitsministeriums.