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Bibelvers Liebe Glaube Hoffnung

„Jetzt jedoch bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch die Liebe ist die Größte unter ihnen' (1. Kor 13,13)


Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages,

Welch ein eindringlicher, souveräner und tröstlicher Vers! Der Apostel Paulus hat hier den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie alle kennen diesen Text: Das Hohelied der Liebe, ein passender Beitrag für jede Hochzeitsfeier.

Doch bei manchen Hochzeiten, wo die Liebe des Öfteren fast „beschworen' wird, spüren wir alle auch zwiespältige Gefühle, beispielsweise wenn wir an die geschiedenen Eltern des Brautpaares denken oder an eigene, zerbrochene oder verlorene Beziehungen. Wie kann Paulus angesichts der Welt der Beziehungen und vergangener Lieben die „Liebe' so hoch einschätzen und als unzerbrechlich bezeichnen? Unsere Lebenserfahrung legt doch etwas anderes nahe. Wo immer wir uns betätigen, erfahren wir das Dahinschwinden und den Abbruch von Verbindungen. Freundschaften werden durch Kurzlebigkeit und Unverbindlichkeit belastet; Beziehungen ersticken an Überforderung und Ermüdung; Völker begegnen sich nach wie vor eher mit Misstrauen als mit Wohlwollen. Daraus folgt: Gerade die Liebe wird doch immer wieder auf die Probe gestellt und kommt in so vielem zu kurz. Wir alle sind uns dessen bewusst.

Paulus blendet jedoch keineswegs aus, dass unser Dasein einem Mosaik gleicht. Wenige Verse zuvor verfasste er dazu:

„Denn wir erkennen stückweise und wir weissagen stückweise.'

Bevor ein Mensch überhaupt zum Glauben finden kann, muss er erkennen, dass sein Wissen vorläufig, beschränkt und somit stückweise ist. Tatsächlich aber setzen wir doch alles auf das Wissen und die Anhäufung von Kenntnissen. Wir streben danach, die Welt selbst zu erläutern, um uns zu orientieren. Dies zeigt sich in der Fülle von Prognosen und Voraussagen, denen wir täglich fast blind vertrauen: Es beginnt mit der Wettervorhersage und den Modetrends für den Sommer, erstreckt sich über die Prognose der Arbeitslosenzahlen und des Geschäftsklimaindexes bis hin zur Berechnung der Risiken einer Schwangerschaft oder der persönlichen Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken.

Bei all dem Nutzen dieser Voraussagen und Prognosen schenken wir ihnen doch zu schnell unser Vertrauen. Warum? Weil sie uns versprechen, eine Situation exakt zu beurteilen, das Leben zu kalkulieren und dadurch schließlich erfolgreich agieren zu können. Ja, darauf sind wir programmiert: Wir möchten erfolgreich sein, unsere Unternehmungen sollen gedeihen. Dafür ist es unabdingbar zu wissen, mehr zu wissen, im Voraus zu wissen.

Kaum zu glauben: Es existiert auch eine Jagd nach Wissen, die unseren Horizont eher einschränkt, obwohl er doch durch das Wissen erweitert werden sollte. Aus dieser Perspektive auf Wissen und Prognostizieren reißt uns Paulus heraus. Er stellt uns Gott gegenüber und erweitert somit unsere Weltanschauung.

Im Angesicht der Größe und Vollkommenheit Gottes können wir unser Stückwerk erkennen und lernen, damit umzugehen, da Gott uns an seiner Vollkommenheit teilhaben lässt. Die Hoffnung darauf hat einen festen Grund. Dieser Grund ist die Liebe Gottes zu uns, mit der er uns bereits jetzt erfasst und auf das vorbereitet, was uns bevorsteht. Denn die Liebe, von der Paulus im Hohelied spricht und die im Griechischen Agape genannt wird, ist weit mehr als das, was wir üblicherweise an zwischenmenschlicher Zuneigung im Blick haben - sei es das Eros in einer Partnerschaft oder die Philia in einer Freundschaft.

Gottes Zuwendung zu uns stellt die Liebe in ihrem wahren Wesen dar. Die Zuneigung zum Dasein, zum Geschöpf, ja die Liebe zur Liebe selbst. Und somit ist unsere Existenz allein schon ein Ausdruck der göttlichen Liebe zu uns. Unsere Existenz und unser Bezogensein auf den Nächsten, auf mein Gegenüber.
In der Verbundenheit mit Gott überschreitet unsere Nächstenliebe ihre eigenen Grenzen. Die Qualität der Liebe verändert sich.

Wo menschliche Zuneigung in der Erwartung auf Gott erfolgt, setzt sie keine Bedingungen und verfolgt keine eigenen Interessen. Dadurch aber gewinnt sie Beständigkeit. Durch Gott endet die Zweckgebundenheit der Liebe. Sie ereignet sich ganz einfach, sie wendet sich zu und überwindet alle Barrieren. Die Grenzen der Furcht, der Unkenntnis, der festgefahrenen Ansichten, der gewohnten Pfade. Es ist die Liebe Gottes, die in unser Herz eingepflanzt ist und sie begegnet uns bereits hier in Form von Güte und Barmherzigkeit.

Der Glaube an diese Liebe, die uns in Jesus Christus geschenkt wird, verleiht unserem fragmentarischen Leben immer wieder einen inneren Zusammenhalt und stets ein eindeutiges Ziel. Denn eines ist unumstößlich wahr und bleibt bestehen: „Jetzt jedoch bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch die Liebe ist die Größte unter ihnen.'

Amen


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